Ich habe aufgehört, es genau zu verfolgen aber wenn man den grassierenden Berichten in Internet, Fernsehen und Zeitung glaubt, dann steht uns ein veritabler Weltuntergang bevor. Zwei Vulkanausbrüche gestern: In Ecuador der Vulkan Tungurahua, und, am entgegengesetzten Ende der Welt, der Vulkan Lokon auf der indonesischen Insel Sulawesi. Den Berg Cerro Uritorco in Argentinien haben sie gesperrt, weil zu viele Menschen dahin wollen. Wenn der Maya-Kalender morgen Nacht endet und dann die Welt untergeht, wollen dort möglichst viele von den Außerirdischen aufgegabelt und von der Erde wegevakuiert werden. Es kann aber auch sein, dass das in dem französischen Pyrenäen Dorf Bugarach passieren wird, da widersprechen sich die Quellen.
Permakultur, ein Selbstversuch
Macht nichts, dachte ich mir vor ein paar Tagen, selbst wenn morgen die Welt untergeht: Es ist gut, heute noch einen Apfelbaum zu pflanzen – und meldete mich für einen Permakultur-Kurs an. Anstatt mich also – wie mein geschätzter Blogger-Kollege Wengierek – in den Theatersesseln dieser Stadt herumzudrücken, um Ihnen sachdienliche Hinweise für Ihre großstädtische Unterhaltung zu geben, begab ich mich für drei Tage in ein „selbstorganisiertes, hierarchiearmes und emanzipatorisches“ Kulturzentrum in Weißensee.
Aber Permakultur… was soll das sein? Schwieriges Wort, komplexe Sache. Und vor allem: was hat das mit „Kultur“ zu tun?Eine ganz simple Idee: Nimm der Erde nichts, was Du ihr nicht an anderer Stelle wieder zurück gibst. Gegen dieses Prinzip des nachhaltigen Wirtschaftens verstoßen die Menschen seit mehr als 150 Jahren im großen Stil und planvoll, indem sie aus der Erde Öl, Kohle und Erdgas saugen, um daraus Energie und Rohstoffe zu erzeugen. Unser gesamtes Wirtschaften basiert auf Öl, alle politischen, wirtschaftlichen Strukturen und alle globalen Beziehungen sind von den Strömen aus diesen riesigen Energiereservoires gespeist. Für den bekanntlich sicher eintretenden Fall aber, dass uns dieses Öl ausgeht, sind wir schlecht vorbereitet – auch wenn wir die Auswirkungen, die dieser gigantische Raubbau zur Folge hat, bereits erahnen.
Über „Permanent culture“ kann man sich an vielen Stellen ausführlich informieren, hier nur so viel: Es handelt sich um eine Arbeitsweise, die auf Grundprinzipien basiert, die funktionierenden, komplexen Ökosystemen abgeschaut sind. Diese sind nämlich selbsterhaltend und dauerhaft, sie beruhen auf Kooperation, Rückkopplung und Vernetzung – und sie kennen keinen Müll! Alles wird weiter verarbeitet. Übertragen auf Landwirtschaft, auf Architektur, Stadtplanung und sogar auf die Organisation sozialer Prozesse, etablieren diese Prinzipien eine neue, achtsamere Weise menschlichen Handelns. Sie hat die Erde als unser Wohnort im Blick, den wir mit allen Lebewesen teilen. Sie achtet die Mitmenschen, die allen an Rechten gleich sind. Und allem Handeln ist schließlich die Grenze einer freiwilligen Selbstbeschränkung eingebaut. Der Wille, nur so viel wachsen zu wollen, wie es dem Gesamtgefüge zuträglich ist. Ziel der Permakultur ist es, lebendige Systeme zu kreieren, die ebenso stabil, komplex und produktiv wie natürliche Ökosysteme sind, in denen Mensch und Natur sich in nachhaltiger Wechselwirkung dauerhaft entfalten – und leben – können.
Das klingt gut, ist aber mehr als nur gut gemeint: Es ist ein ganzes Bündel an Ideen, Gestaltungsprinzipien und Haltungen, die ganz diesseitig, praktisch und lebensbejahend sind. Es gibt hier auch keine Trennung zwischen Beobachter und Handelndem, denn jeder, der beobachtet, handelt bereits, und jeder, der handelt, wird zum Teil des Ganzen.
Die Frage, ob ich als Einzelner etwas tun kann, stellt sich nicht, denn es geht nicht darum, die Welt zu retten. Es genügt, etwas Schönes und Befriedigendes zu tun.
Permakultur ist ein umfassende Lebenskonzept. Und als solches besonders für kulturelle Zusammenhänge interessant. Denn die Künste sind bekanntlich dasjenige System, wo etwas produziert und die Weise des Produzierens zugleich reflektiert wird. Das Kunstwerk ist der vorgezeigte Prozess der Schöpfung.
Warum hat man in den Theatern so oft das Gefühl, hier gehe es um nicht sehr viel mehr als um das Vorzeigen von Kunstfertigkeit und Meinungen? Vielleicht deswegen, weil die Situation nicht gesund ist, vom Staat alimentiert zu werden und zugleich sich als eine Instanz zu verstehen, die Bürgern, Politikern beibringt, was gut, was schlecht, was richtig, was falsch ist? Oder deswegen, weil der Organisationsform Theater an sich ein Widerspruch eingeschrieben ist? Denn so mancher Theatermacher – gerne aus der Generation der alten 68er – predigt so gerne Humanität und Menschenliebe und praktiziert doch, in den steilen Hierarchien und in der historischen Erblast, auf Staatskosten den Gesellschaftsnarren spielen zu dürfen, massive, fast pathologische Ausbeutung von Menschen, die im Theater in häufig prekären Arbeitsverhältnissen ihr Leben verschwenden. So heißt es auf einer Website: „Theater – und die Kunst im Allgemeinen – hat zum Ziel: Empathie mit den Schwachen und Demaskierung der Mächtigen. In diesem Sinne versteht sich das … als politisches Theater“.
Dieses Legitimationsdilemma des Theaters kann, permakulturell gesprochen, in eine Selbstbesinnung des Theaters auf sich selbst und seine Aufgaben münden: Theater kann Aufklärung betreiben, die mit den Menschen gemacht, anstatt ihnen übergestülpt wird. Es kann modellhaft Strukturen durchspielen, Wahrnehmung und Beobachtung üben, Probehandeln vorführen.
Konkret könnte das beispielsweise bedeuten, sich als Akteur in einer Community zu begreifen, der sich auch in Fragen täglicher Lebensgestaltung und der politischen Organisation des Gemeinwesens zuständig fühlt. Die Zuschauer weniger als Konsumenten denn als Teil ihres künstlerischen Gesamtsystems zu betrachten. Als Menschen, die Erwartungen, Ideen und eigene Vorstellungen mitbringen, die sie artikulieren wollen und die in die künstlerische Gestaltung mit einfließen. Theater in einem Transformationsprozess sein zu wollen, könnte aber auch bedeuten, sich ganz offensiv Zukunftsfragen der Menschheit zu widmen.
Wir hatten übrigens viel Spaß in unserem Permakulturkurs in dem antifaschistischen Kulturzentrum. Wir haben dann auch unser kurzes Zusammenleben organisiert und gemeinsam gekocht: Die Zutaten haben wir aus den Mülltonnen am Hinterausgang von zwei Biosupermärkten in Berlin am Ende eines Freitagabends geklaubt. Es gab Kürbis, Gurken mit Schafskäse und Paprika, eine Menge an Rosenkohl und Eisbergsalat. Wussten Sie, dass jeder Supermarkt bei Ihnen um die Ecke Tag für Tag wertvolle Nahrungsmittel fortwirft? Nicht etwa, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten wäre, sondern weil die Sachen nicht mehr ganz proper aussehen. Weil sie uns mit der Ahnung konfrontieren könnten, dass es um unser Leben nicht ganz so schick bestellt ist. Die Kosten für diesen Schwund sind in den Preisen einkalkuliert und werden von uns allen bezahlt. Dabei könnte man die Mehrzahl dieser Produkte noch gut essen. Man kann satt werden davon.
Weltuntergang, ein Selbstversuch
Es gibt keine Anhaltspunkte, dass morgen die Welt untergeht. Aber es ist sonnenklar, dass wir Menschen es sind, die die Erde ruinieren. Zwar nicht von einem Tag auf den anderen, aber langsam und sicher. Jeder weiß das, keiner redet darüber.
Andererseits haben wir ja auch eine eigentümliche Lust am Untergang. Eine infernalische Erfindungen des Menschen ist bekanntlich die Atomkraft, – in ihrer zivilen Form als Atomkraftwerke, in ihrer militärischen als Atombombe, deren Entwicklung ganze Landstriche und Inseln auf Jahrtausende unbewohnbar gemacht hat. Ich bin immer wieder davon fasziniert, wie schön dieser zerstörerische grauenhafte Vorgang einer Atombombenexplosion sein kann:
Woher die Lust am Weltuntergang? Weil Untergänge schön sind? Oder weil wir so gerne zwischen Endzeitsehnsucht und Weltrettungseuphorie hin und herpendeln? Ich weiß es nicht, aber hier gibt es eine wunderbare Chronik der verpassten Weltuntergänge.
Nach so viel Ökokram und Political Correctness bekomme ich jedenfalls jetzt langsam wieder die Lust auf das Böse, Gemeine, Negativ: Im HAU werden die Jungs und Mädels von Gob Squad am Freitag, den 21. Dezember den Weltuntergang zelebrieren. 10 Stunden lang, von Abends um 10 bis morgens um 8: ARE YOU WITH US? – Ja!
Ich werde berichten – falls das dann noch möglich ist.