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Channel: Freie Volksbühne Berlin – Blog » Henrik Adler
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Überleben mit dem HKW

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Sorgen um die Zukunft des Planeten Erde macht sich seit geraumer Zeit auch das Haus der Kulturen der Welt. Nach dem groß angelegten Projekt „Überlebenskunst“, das künstlerische Strategien für einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen vorstellte, startet mit einer viertägigen Eröffnung jetzt „Das Anthropozän-Projekt„.

Das auf zwei Jahre angelegte Programm versammelt Konferenzen, Ausstellungen, ein Festival mit dem seltsamen Titel „Böse Musik“ und manches mehr. Auf den ersten Blick wirkt das alles recht verkopft, aber ein Gang durch die grandiose Eingangshalle des HKW zeigt: hier wird nicht gekleckert. Die Architekturpioniere von „raumlabor“ schaffen mit einer riesigen raumgreifenden, ganz aus weißen Hölzern und durchsichtigen Plastikfolien gebauten Installation mit stilisierten Förderbändern, Aussichtsplattformen, Podesten und riesigen Küchenapparaturen eine sozialen Skulptur. Einen Raum, in dem das Essen, von Fleisch zumal, in einer sozialen Aktion des Essen-Beschaffens, des Verhandelns und des Miteinander Verzehrens zum Thema wird. Soziale Interaktion als Stoffwechselprozesse! Oben auf der Dachterrasse schmort ein riesiges Rind überm offenen Holzfeuer, während drinnen sich die Szene tummelt und die gelehrten Herren mitteilen, was wir unter dem „Anthropozän“ zu verstehen haben: Das Erdzeitalter des Menschen.

Ungefähr so: Die Formung der Natur durch den Menschen ist total geworden, so dass man sagen kann: Menschheitsgeschichte ist Naturgeschichte und umgekehrt. Klimawandel, Artensterben, die Umgestaltung riesiger Landstriche, Erosion von Böden und vieles mehr sind die äußeren, irreduziblen Anzeichen dafür, dass die Menschheit nun ihren Niederschlag in der Erdgeschichte findet. Nun muss auch noch das Denken nachziehen und den notorischen Gegensatz zwischen Natur und Kultur hinter sich lassen. Natur ist Kultur, Kultur ist Natur, und der Mensch ein Teil der Natur – weil er Natur macht. So ganz neu ist das nicht, auch die „Dialektik der Aufklärung“ ist von diesem Gedanken angetrieben. Aber es öffnet immerhin den Blick für die komplexen Auswirkungen des menschlichen Handelns. Das zeigt absolut überzeigend der australische Wissenschaftler Will Steffen in seiner mit angelsächsischer Lässigkeit vorgetragenen Keynote speech: Der Ausgang ist ungewiss, ob wir auf dem Weg zu globaler Nachhaltigkeit sind, oder ob alles in einem desaströsen globalen Zusammenbruch endet…
Glingt es uns, eine neue Beweglichkeit des Denkens und eine Verantwortlichkeit des Handelns daraus zu schöpfen? Das bleibt im HKW zu verfolgen. Am Ende des Abends bleibt eine überraschend poetische Sentenz des Journalisten Reinhold Leinfelder haften: Auch wir Menschen sind „nur“ aus Sternenstaub gemacht, aus den chemischen Resultaten des Urknalls zusammengebacken.


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